Man ist immer auf der Suche – ein Interview mit Anne Kuhlmeyer

Anne Kuhlmeyer, Autorin aus Coesfeld, spricht in einem Interview über ihre Suche nach einem neuen Weg, der sich auch am Schreiben entlangschlängelt und über das, was Freiheit damit zu tun hat:

Anne Kuhlmeyer

Foto: Anne Kuhlmeyer, privat

? In einem Interview mit dem Literatur-Portal Interview Lounge hast du gesagt, dass du dich literarisch neu erfinden möchtest. Bist du auf der Suche?

– Ich glaube, man ist immer auf der Suche, wenn man schreibt. Nach Fragen, warum Menschen so oder so leben, so oder so handeln, nach einer Geschichte dafür, nach dem passenden Wort, um diese Geschichte zu erzählen … Und ich persönlich? Naja, ich bin in einem Lebensalter, in dem sich überlicherweise die Frage nach: Was mach ich mit dem Rest meines Lebens? stellen.

? Und was hast du bisher auf deiner Suche gefunden?

– Für meine persönliche Fragestellung habe ich noch keine erschöpfende Antwort gefunden. Vielleicht einen neuen Weg. Einen, der sich auch am Schreiben entlangschlängelt. Der heißt: mehr persönliche Freiheit, in dem ich mich nicht an vermeintlich Erwünschtem orientiere, sondern die Geschichten schreibe, von denen ich meine, dass sie erzählt gehören. Dabei entstehen schon schräge Sachen. Will heißen: mit mehr Freiheit kann man besser auf die eigne Kreativität zurückgreifen. Was dann aus den Texten wird, muss sich zeigen.

? Die Freiheit also, ausserhalb des „Mainstreams“ zu schreiben, den eigenen Weg zu finden? Gehört da auch Mut dazu?

– Gegen „Mainstream“ ist nicht prinzipiell etwas zu sagen. Ich denke, alles hat seine Bedeutung für den Einzelnen und hat seine Leserschaft. Jeder nutzt ja lesen anders für sich. Das ist okay. Bedauerlich bis ärgerlich finde ich, dass Unkonventionelles, Überraschendes, Neues, irgendwie Andersartiges, ob thematisch oder stilistisch, auf diese Weise keine Chance bekommt, denn es gibt begrenzte Ressourcen. Das finde ich in erster Linie als Leserin, in zweiter als Autorin. Die technischen Möglichkeiten bringen es mit sich, dass man schlimmstenfalls (ich sage: schlimmstenfalls und meine das auch so) selbst publizieren kann. Keine gute Lösung, aber irgendeine. Na, Mut gehört ja immer dazu, den eigenen Weg zu finden. Freiheit ist Risiko. Das gehört zu ihrem Wesen.

? Was hast du auf deiner Suche schreibend entdeckt bzw. literarisch produziert? Gab es etwas, was dich selbst überraschte?

– „Thymian und Blut“ ist dabei entstanden. Es ist ein kurzer Roman, der eben in keine Schublade passt. Neunzig Seiten, etwas zwischen Kriminalroman und Roadmovie in dem es um die Suche geht. Was treibt uns, wenn wir satt sind? Was ist der Kitt in unseren sozialen Bezügen? Wie viel brauchen wir davon? Wozu sind wir auf der Welt, wenn scheinbar alles getan ist? Auch stilistisch unterscheidet sich der Text sicher von dem, was ich bisher schrieb. Gedichte sind darin, Halbsätze, teils ganz kurze Kapitel. Weil mir klar ist, dass so ein Text keinen Verlag findet, habe ich ihn als E-Book publiziert. Was mich überraschte, war die Art, wie ich ihn schrieb. Normalerweise hat man ein Konzept und kennt selbstverständlich den Schluss. Das war bei diesem Text nicht so. Insofern überraschte er mich schon, insbeondere deshalb, weil er trotzdem funktionierte.

Thymian und Blut

? Du hast dich also beim Schreiben treiben lassen. Wo kann man das E-Book herunterladen?

– Ja, in diesem Falle und ausnahmsweise. Sonst mache ich das anders. Das E-Book „Thymian und Blut“ habe ich über Amazon, Kindle-Edition publiziert. Herunterladen kann man es mit einer App auf jeden Computer oder eben direkt auf den Kindle-Reader.

? Da wir gerade beim Thema sind: Siehst du Selfpublishing und E-Book-Markt als Chance für Autoren?

– Das sind zwei Paar Schuhe. Selfpublishing halte ich für eine Notlösung angesichts der Unsicherheit und der mangelnden Risikobereitschaft in der Branche. Das ist ein Teufelskreis. Die Verlage sagen: Die Leser wünschen dies oder jenes. Die Leser nehmen das, was die Verlage produzieren. Was sollten sie auch anderes tun? Der E-Book-Markt wächst und wird weiter wachsen und das gedruckte Buch natürlich nicht verdrängen. Aber es werden zunehmend E-Book-Verlage hinzukommen. Da muss man sich dann die Quaität anschauen. Fakt ist, dass es einfach sinnvoller ist, in einem Team zu arbeiten und mehr Spaß macht.

? Auf der letzten Literatur-Session im Stadtmuseum Borken gab es eine Kostprobe von dir. Wann werden wir wieder etwas von dir hören können?

– Aktuell geplant habe ich nichts, weil ich intensiv an einem neuen Kriminalroman arbeite. Aber die Literatur-Session ist immer eine lässige und fröhliche Veranstaltung, wunderbar moderiert von Claudia Wiemer, bei der ich gerne einmal wieder lesen werde. Am Ende des Jahres erscheinen Kurzgeschichten von mir in drei Anthologien, die man selbst lesen muss und ein abgeschlossenes Manuskript sucht noch einen Verlag. Um auf den Anfang unseres Gespräches zurückzukommen: Wenn man sich mit Literatur beschäftigt ist, kann der Rest des Lebens gar nicht lang genug sein und die Suche ist der Prozeß, der ihn begleitet …

Mehr Informationen über Anne Kuhlmeyer finden Sie auf LitBorken hier

Die Homepage von Anne Kuhlmeyer